20.07.2017 – Tag 68 – KM 4402
Quer durch Hokkaido
Nun, nach zehn Wochen auf dem Rad, liegen 15 Stunden Flugzeit und eine Woche Heimaturlaub vor mir. Alba und Ignasi waren eine sehr angenehme Reisebegleitung durch den japanischen Norden. Sie beide sind der japanischen Sprachen ein wenig vertraut und das ist sehr hilfreich, denn nur ganz selten spricht jemand englisch.
Ich versuche mich mal kurz zu fassen und eher das was anders als bei uns ist zu beschreiben. Hokkaido ist die nördlichste Insel Japans. Dort wiederrum im Norden waren wir nur 30 km von Sachalin (Russland) entfernt. Der Weg gen Norden war vor Allem windig, nass und kalt, zum Glück mit Rückenwind. Das heißt, die ersten zwei Wochen waren fast komplett ohne Sonne. Mich hat das alles sehr an eine Mischung aus Alaska und Patagonien erinnert. Spätestens als wir dann im weiten, windigen Nichts einen erwachsenen Bären begegneten. Ja die gibt es dort oben – zum Glück hatte er keinen großen Hunger. Eine Flucht auf dem Fahrrad wäre sinnlos, an meinen beiden katalanischen Freunden ist eh nichts dran, so wäre ich wohl zuerst aufgefressen worden. (-;
Eine japanische Besonderheit ist die ausgeprägte Toilettenkultur. Wenn auch auf 100km entlang am Meer kein Dorf ist, Toilettenhäuschen findet man wenigstens aller 30km. Da ist auch gern mal der Sitz beheizt (im Winter können hier bis zu -30 Grad werden), manchmal kommt Musik raus (damit die peinlichen Furzgeräusche überdudelt werden) und dann gibt es noch jede Menge Knöpfe zum drücken und drehen. Alle natürlich in japanisch beschriftet. Wir haben bei diversen Test Tränen vor Lachen in den Augen. Da kommen Wasserstrahlen aus allen erdenklichen Richtungen. Intensität und Temperatur lassen sich selbstverständlich regulieren. Wahlweise kommen sonderbare Düsen ausgefahren, mit Winden zum trocknen der gewünschten Körperöffnungen. Jeder Toilettenbesuch ist ein Erlebnis für sich. Hygiene hat einen enorm hohen Stellenwert in Japan. So verwundert es anfänglich, dass es auf den zahlreichen Campingplätzen (oft kostenlos oder sehr günstig) nie Duschen gibt. Üblicherweise geht man in die Onzen, natürliche oder künstliche. Dies sind heiße Quellen, welche überall zu finden sind. Das ist dann auch eine öffentliche Waschanstalt. Zuerst putzt man sich, in einer Reihe sitzend, unter zahlreichen Mitwäschern, wie eine Katze mit viel Seife und Geduld mindestens 20 Minuten vor dem Spiegel. Danach geht es wahlweise in die Sauna oder in das heiße Becken. Das kann man in die Länge ziehen wie man möchte – 1, 2, 3 Stunden oder auch den ganzen Tag. Der Spaß kostet meistens 500 Yen, das sind ca. 3,50 Euro. Eben soviel wie zelten oder ein einfaches Rahmengericht aus dem simplen Restaurant. Ich will damit sagen, Japan muss nicht teuer sein.
Ich habe für vier Wochen auf Hokkaido 650 Euro ausgegeben, davon 26 Nächte im Zelt (48 Euro), 2 Nächte im Hostel (50 Euro). Das Essen kommt meistens vom Campingkocher aber auch ab und an ein günstiges Restaurant, wer mich kennt weiß, dass da auch das ein oder andere Feierabendbier mit dabei ist. Doch das ist das bereits deutlich teurer als in Europa, dafür gibt es das manchmal auch gekühlt aus dem Automaten. Wirklich teuer sind Obst und Gemüse. Ein Apfel, eine Möhre, eine Kartoffel, … alles ca. 1 Euro pro Stück! Den Vogel abgeschossen haben die Melonen mit ab 20 Euro pro Stück, kann aber auch sensationelle 50 Euro kosten (damals in Honduras zahlten wir 25 Cent für die ganze Kugel).
Umso mehr wunderte mich, dass wir bereits auf dem Flug von Tokio aus (wir flogen in getrennten Flugzeugen) jeweils die einzigen „Nicht-Asiaten“ waren und das bei gut 350 Menschen im Luftbus. Getroffen haben wir in dem Monat auch fast keinen. Die einzige Gegend, wo dann doch mal paar Touristen umher waren, war im Asahi Dake NP. Dort haben wir eine zweitägige Bergtour durch das wunderschöne vulkanische Zentrum der Insel gemacht. Und das dann auch endlich bei sonnigen und hohen Temperaturen! Die stiegen dann auch in den folgenden Tagen bis auf 38 Grad, was hier sehr ungewöhnlich ist. Die Einwohner eines kleinen Dorfes kamen alle mit Handy zur zentralen Temperaturanzeige um Fotos zu machen. Der Süden der Insel ist dann auch deutlich freundlicher als der graue Norden mit wenig, fast nur alten Menschen und zahlreichen von Zyklonen, in den letzten Jahren zerstörten und verlassenen Gebäuden.
Fast jeden Tag begegnen uns Schlangen – auf Dächern, an senkrechter Wand oder auf der Wiese, genau dort, wo das Zelt hin soll. Hokkaido, die grüne Insel, ist das Paradies der japanischen Biker. Etwas seltsam ist die Beladung der Harleys, mit Vorliebe werden Berge von Plastikkisten mit allem KlimBim zum campen übereinander gestapelt und verzurrt. Ganz Besonders – die Lederjacken grüßen uns Radfahrer respektvoll, oft mit erhobenem Daumen. Vor allem in den Gebirgen!