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November 2021 Jordanien

Vielfalt und Herzlichkeit wohin man blickt

Linda, Maik

Die Einreise nach Jordanien erwies sich als sehr einfach, Papiere und ein negativer PCR Test, große Vorfreude – schon ging es los.

Amman, die Haupstadt Jordaniens, zeigt sich von seiner lebendigen Seite. Die Altstadt ist laut, bunt, voller Menschen und ohne jegliche erkennbare Corona-Einschränkung. Wir besuchen über den Tag die touristischen Sehenswürdigkeiten und begeben uns abends ins enge und quirlige Getümmel zwischen Souks, Coffeeshops und Shishaläden. Mehrfach täglich werden wir angesprochen, begrüßt, beschenkt und aus den vorbei fahrenden Autos ruft es "Welcome to Jordan". Die Menschen freuen sich, dass die touristischen Strukturen nach über 18 Monaten wieder reaktiviert werden und so dürfen wir mit backen, bekommen Baklava zum Kosten gereicht oder auch eine zusätzliche Schale Falafel auf den dreckigen Tisch gestellt. Wir werden von den unterschiedlichen Religionen willkommen geheißen, dürfen Moscheen sowie Kirchen besuchen, werden persönlich umher geführt und mit Handschlag und offenem Geiste verabschiedet. 

Nach den Tagen in Amman mieten wir uns ein Auto und besuchen zuerst die Wüstenschlösser, welche als die ersten "Hotels" der arabischen Welt gelten und erstaunlich gut erhalten sind. Auch hier gibt es eine persönliche Führung, andere Touristen sind kaum zu sehen und nahe der syrischen und irakischen Grenze sehen wir Flüchtlingslager in festen Zelten bis zum Horizont. Jordanien hat ca. 10 Millionen Einwohner, davon sind 1,5 Millionen Syrer und Weitere sind irakische oder palästinensische Geflüchtete. Unser Weg führte uns die nächsten Tage durch den nördlichen Teil des Landes, vorbei an alten Städten, historischen Kirchen und sicherlich viel arabischen Kaffee.

Wir sind also bereits in Jerash, Ajloun und Umm Quais gewesen, haben nach Syrien und Israel geblickt, antike Ausgrabungsstädten in Jerash besucht. Beeindruckend was Menschen geschaffen (bzw. Herrscher schaffen lassen) haben und wieviel davon heute noch so gut erhalten ist, dass man sich in römisch-griechisches Leben hineinversetzen kann. Vielmehr jedoch erleben wir Menschen aus Jordanien, Syrien, Jemen, Palästina usw. die Hand-in-Hand miteinander leben, ohne sich groß nach Unterschiedlichkeiten zu fragen. Wir kaufen reifes Obst und Gemüse, welches scheinbar im Überfluss angeboten wird, begeben uns in das bunte Treiben der Souks und treffen hier immer wieder Jugendliche und Erwachsene die mit uns ins Gespräch kommen möchten, sich Fotos mit uns wünschen… im Gegenzug erleben wir Interaktionen, Begegnungen und Herzlichkeiten welche lange nachwirken werden.  Am Abend, vom Weg aus Umm Quais nach Madaba, fahren wir durch ein fast schon unwirklich wirkendes grünes Jordantal - die Kornkammer Jordaniens - obwohl wir einen fast ausgetrockneten Fluss vorfanden, da das meiste Wasser per Vertrag nach Israel abgegeben wird. Bei Sonnenuntergang ruft der Muezzin und überall in der Ferne leuchten nachts die grünen Minarette in der Farbe des Islam.

Das eher touristisch wirkende Madaba gilt als eine christliche Hochburg und ist vor allem für seine vielen Mosaike bekannt. Unser Hotel liegt gegenüber der griechisch orthodoxen Kirche. Beim Frühstück bestaunen wir die Geschicklichkeit des Glöckners, welcher auf dem Dach der Kirche seines Amtes waltet. Die Palästina-Karte - das wohl bekannteste aber bei weitem nicht das schönste Mosaik, was wir sahen, war der Einstieg in unseren Tag. Weitere Steinbilder befanden sich nahezu in der ganzen Stadt, in Höfen von kleinen Kirchen, in Ausgrabungsstätten christlicher Siedler, sowie an Wänden. Wir besuchten auch eine Mosaikschule und staunten über die Fingerfertigkeit der Arbeiter*innen. Am Tag darauf fanden wir uns fernab des städtischen Wirrwarrs in der Kirche Mose, auf dem Mount Nebo, wieder und warfen einen weiteren Blick nach Israel. Außerdem sahen wir dort bereits den ersten Zipfel des Toten Meeres, der nächste Punkt unserer Reise Richtung Süden.

Da waren wir also am Toten Meer! Von Madaba fuhren wir Serpentinen durch Gebirgszüge hinunter, vorbei an Beduinenzelten und es wurde endlich wieder wärmer. Hier und da ein Hirte auf einem Esel und mit ihm seine Herde bunt gescheckter Schafe oder Ziegen. Auch hier mindestens ein Handgruß oder ein „Salam, Welcome!“ welches wir gern erwiderten. Wir badeten also im toten Meer und duschten unter einem Wasserfall warmer Quellen, später bezogen wir ein schönes Chalet direkt am Ufer. Nach dem morgendlichen, immer gleichen Frühstück mit Hummus, gingen wir quasi über die Straße ins Wadi Mujib. Dort erwartete uns eine „Schwimmwanderung“ mit Kletterstellen, umrahmt von bis zu 40m hohen Felswänden. Am Abend fuhren wir, mit einem Abstecher zum tiefsten Ort der Welt, in das ehemalige Beduinendorf Dana und starteten am nächsten Morgen eine 14km lange Wanderung durchs Gebirge bis in die Wüste. Je länger unsere Wanderung durchs Wadi Dana dauerte desto mehr Steinformationen erblickten wir, irgendwie war es jedes Mal ein bisschen anders. Hirten mit großen Ziegenherden zogen an uns vorbei und wieder wurde uns Tee für eine Pause angeboten - von Menschen, die mitten in der Wüste, im Nichts, mit ihren Tieren leben.

Und da wir noch nicht genug von Wadis hatten, wanderten wir am Tag darauf noch durch Wadi Ghuweir - das wohl Einprägsamste. Nach wildesten Beschreibungen wo sich der Zugang befinden könnte, folgten wir einfach den Ausschilderungen und parkten unser Auto in einem Tal. Etwa 4km lang wechselte sich ein kleines Rinnsal aus Wasser, an dem Oleander blühte, mit kargem, trockenem Geröll-Boden ab. Und dann ganz plötzlich standen wir in einer Oase aus Palmen, Büschen, Gräsern und Wasser. Auf dem Rückweg begann es zu regnen - lang angekündigt und lang erwartet, denn Jordanien leidet massiv am Wassermangel. Ein bisschen war es auf einmal wie Zuhause im November, kalt, windig, nass aber das nur für einen Abend. Wir zogen also weiter zum wahrscheinlich bekanntesten Highlight - dem Weltwunder Petra.

Petra, eins der sieben neuen Weltwunder, liegt eingebettet zwischen hohen, rötlichen Felsen. Gegründet durch die Nabatäer, wurde es zum Hauptsitz dieses Volkes. Nach 250 mal „You need a horse?“ (hier wahlweise einsetzbar: donkey oder camel), 10/20 JD (je nach Tageszeit, Gemütszustand etc.) erblickten wir das wohl schönste Bauwerk - das Schatzhaus - zu Beginn der alten Felsenstadt. Da wir weder für 15 JD ein Bild machen, noch für 25 JD eine industrielle „handmade“ Kanne kaufen wollten suchten wir einen schnellen Weg durch die Händler in Richtung Königsgräber und stiegen unglaublich viele Treppen zum Kloster auf. Wir erkundeten, bei kühlen 13 Grad, mit sehr wenigen Touristen also Petra. Wir staunten über die gut erhaltenen Bauten, die vielen Farben der Steine, ausgeklügelte Bewässerungssysteme und wunderschöne Ausblicke über die Berge bis fast ans Tote Meer.

Abends stürzten wir uns ins Leben in Wadi Musa. Eigentlich ist diese kleine Stadt lediglich entstanden um all die Touristen gut versorgen zu können, aber wir trafen auch hier Menschen die uns mit viel arabischer Herzlichkeit begegneten. Da war Ahmad - der Baklavaverkäufer - der sich über jeden unserer drei Besuche freute und die Süßigkeiten jeden Tag etwas günstiger werden ließ oder Ali, der Maik jeden Abend in seinem winzigen Geschäft noch einen Kaffee kochte und sich in drei Brocken englisch mit den „Germanys“ unterhielt. Petra behalten wir in beeindruckender Erinnerung - unglaublich wie hochentwickelt die Nabatäische Gesellschaft lebte. Aber Petra hat für uns auch einen faden Beigeschmack. Beduinen, die in einem Dorf oberhalb der Ausgrabungsstätte leben, lungern in Petra rum, versuchen penetrant jedem Besucher etwas aufzuschwatzen, sperren eigentlich öffentliche Wege zu Aussichtspunkten bzw. ermöglichen einen Besuch dieser zu horrenden Preisen. Kinder die scheinbar keine Schule besuchen verkaufen Steine oder betteln. Es scheint als hätte Corona die Lage dieser Menschen verschärft, denn es kommen nur wenige Touristen nach Jordanien.

Von Wadi Musa fuhren wir durch eine schier endlose Wüste, dem Wadi Rum. Dort war vor allem eins - Sand und Stein! Wir wanderten ein kurzes Stück und picknickten - zur Abwechslung mal ohne Humus und es war endlich wieder richtig warm! Nach dieser Zwischenstation fuhren wir bis ganz in den Süden nach Aqaba und waren gleich wieder in mitten einer Großstadt, welche wir als ungemein vielfältig wahrnahmen. Frauen bewegten sich ganz selbstverständlich, bzw. selbstverständlicher, als wir es in anderen Städten erlebten und grüßten uns. Wieder sprachen wir mit Menschen über Jordanien, Aqaba und aber auch immer wieder über Deutschland. Tagsüber schnorchelten wir an der Küste entlang und abends saßen wir bei Kaffee, Tee und Shisha im Park. An der Südküste wurden ein altes Flugzeug und ein Panzer im Meer versenkt. Ringsum erkundeten wir, mit vielfältigsten Fischarten, große Riffe. Aqaba hat das Feeling einer Hafenstadt, viel besucht von vor allem einheimischen Familien. Wir ließen uns treiben, spazierten am Strand und Maik konnte endlich Fisch essen. Und ein bisschen wehleidig nahmen wir das Gefühl wahr, dass es nun bald nach Hause geht, Aqaba war der letzte Punkt unserer Reise durch Jordanien. Bereits auf dem Weg nach Dana beschlossen wir, dass wir zurück ans Tote Meer kommen wollen und unsere letzte Nacht in den Chalets verbringen möchten. Nochmal schwimmen, Salzkristalle suchen und finden, ein paar Postkarten schreiben sowie packen.

Vorfreudig fuhren wir am letzten Morgen nach Amman, wir waren eingeladen bei Reem, einer Freundin von Lindas Familie. Nach dem wir unser Auto zurückgegeben hatten, hörten wir den Ruf zum Freitagsgebet von den Minaretten und machten uns auf den Weg zur nächstgelegenen Moschee. Bereits in der ersten Woche in Jerash bereitete es uns Freude zu sehen, wie das Leben auf einmal für 30 Minuten still stand. Wir bezogen also Position vor einem Geschäft und sahen zu wie eilige Männer, Jugendliche und kleine Jungs die Moschee und ihren Vorplatz langsam füllten, gemeinsam beteten – viele außerhalb des Gebäudes und mit Maske, denn auch in Jordanien steigt die Inzidenz. Belustigt sahen wir zu wie sich ein kleines Mädchen, welches scheinbar ihren Vater begleiten durfte, in aller Ruhe am Obststand am Eingang der Moschee bediente. Dann fuhren wir mit Reem nach Salt, westlich von Amman und konnten nicht glauben, dass diese Stadt nur eine halbe Seite im Reiseführer abbekommen hatte. Wunderschöne, aus gelbem Sandstein erbaute und reich verzierte Häuser finden sich in der Altstadt. Nach einem Spaziergang, einem Besuch im Parfümladen, wo wir wieder nicht bezahlen durften und einem Kaffee waren wir zum Abendbrot mit Reem, ihrer Tochter und dem Schwiegersohn eingeladen. Nach großer Verabschiedung und herzlichen Wünschen auf ein baldiges Wiedersehen, fuhren wir zum Flughafen. Wider aller Erwartungen, war die Ausreise sehr einfach – wir wurden lediglich nach einer Impfung gefragt. Zumindest formell, denn das Flugzeug konnte erst nach 2:20 Verspätung starten, am Morgen hieß es dann „Welcome to Lockdown!“ und das normale Leben hat uns also wieder.